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"Teenagermütter": Wenn Kinder Kinder bekommen


Teenagermütter: Wenn Kinder Kinder bekommen

t-online, cst

05.09.2011Lesedauer: 5 Min.
Natascha mit ihrem dreijährigen Sohn Lukas.Vergrößern des BildesNatascha mit ihrem dreijährigen Sohn Lukas. (Quelle: Michael Petersohn)
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2010 wurden in Deutschland rund 9000 minderjährige Mädchen schwanger. Die meisten sind ungewollt schwanger geworden, viele fühlten sich nicht oder nur unzureichend aufgeklärt. Gut die Hälfte der schwangeren Mädchen hat sich entschieden, das Baby zur Welt zu bringen. Ein schwieriger Weg wartet auf sie: Schule, Ausbildung, Partnerschaft und ein Baby unter einen Hut zu bekommen, ist alles andere als einfach. Und dennoch gibt es immer mehr Teenager, die eine Schwangerschaft bewusst als Lebensmodell wählen. Warum ist das so? Was erwartet die Teenager in der Schule, im Beruf? Wie entwickelt sich die Beziehung zwischen den jungen Müttern und ihren Kindern? Diesen und vielen anderen Fragen ist Antje Diller-Wolff in ihrem Buch "Teenagermütter" nachgegangen.

Schlaflose Nächte

Mit 15 hat man schlaflose Nächte, weil man das erste Mal verliebt ist, Partys feiert, stundenlang am Computer chattet, der besten Freundin SMS schickt. Oder: Mit 15 hat man schlaflose Nächte, weil das Baby schreit. Unterschiedlicher können Lebensentwürfe nicht sein.

4600 Teenagermütter pro Jahr

Nach Zahlen von Kinderaerzte-im-Netz.de und des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Teenagerschwangerschaften seit Jahren rückläufig. Waren im Jahr 2000 noch rund 15.000 Mädchen unter 18 schwanger, sind es 2010 "nur" noch rund 9000 gewesen. Der Anteil der Mädchen, der sich für das Kind entscheidet, ist dagegen über die Jahre fast gleich geblieben, er liegt bei rund 50 Prozent. Vereinfacht gesagt, von zwei Teeniemädchen, die schwanger werden, bringt eine das Kind zur Welt und eine treibt ab. Nackte Zahlen, die nicht im Mindesten das Drama erahnen lassen, das hinter jedem einzelnen Fall steckt.

Ohne Hilfe geht es nicht

Der Autorin und Journalistin Antje Diller-Wolff ist es gelungen, diese Zahlen mit Leben zu füllen. Viele Stimmen kommen bei ihr zu Wort: von den betroffenen Mädchen, über die Familienhebamme bis hin zu einer Sozialpädagogin, die einst selbst eine Teeniemutter war. Aber auch die Oma unter 40, Betreuerinnen aus dem Mutter-Kind-Heim, Sozialarbeiterinnen, Mitarbeiter vom Jugendamt. Ein ganzes Netz von Fachkräften ist in das Leben der jungen Mütter und ihrer Kinder involviert, um zu beraten, zu unterstützen oder im Notfall auch einzugreifen. Denn, und das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis dieses Buches, allein und ohne Hilfe ist es für die Mädchen nicht zu schaffen.

Wie viel Hilfe ist nötig?

Bringt eine minderjährige Mutter ein Kind zur Welt, übernimmt das Jugendamt automatisch die Amtsvormundschaft für das Baby. Je nach Reife und Wohnsituation der Mädchen wird dann die Hilfe koordiniert. Greift die Familie der jungen Mutter unterstützend mit ein, kommt vielleicht nur eine Familienhelferin zum Einsatz. Leben die Teenager in einem Mutter-Kind-Heim, kann auch eine 24-Stunden-Betreuung nötig sein, denn das Kindeswohl steht an erster Stelle und die Mädchen müssen erst zeigen, dass sie in der Lage sind, sich selbst und einen Säugling zu versorgen. Lesen Sie hier, wie es zwei Mädchen gelungen ist, in dieser schwierigen Lebenslage über sich hinauszuwachsen.

Den Tag strukturieren fällt schwer

Das größte Problem ist für viele ein strukturierter Tagesablauf. Aufstehen, Körperpflege, Anziehen, Kochen, Ämtergänge, mit dem Kind beschäftigen, es schlafen legen und auch nachts immer in Bereitschaft sein, wenn das Kind weint oder unruhig ist. Die erste Zeit mit einem Baby ist neu und anstrengend, auch für viele ältere Mütter. Wie schwer muss es Kindern fallen, die von zu Hause keine Strukturen kennen? "Die Mütter, die wir betreuen, haben das oft selbst nicht erfahren und folglich nicht gelernt", sagt Petra Jablonski, stellvertretende Leiterin der Mutter-Kind-Wohngruppe Hilden. "Es bedeutet für die Mütter harte Arbeit, von jetzt auf gleich umfassend zu lernen, was ein Kind alles braucht, um optimal aufzuwachsen."

Vertrauen muss man sich erarbeiten

Die Kinder sollen außerdem nicht nur "versorgt" werden, sondern auch Geborgenheit und Verlässlichkeit erfahren. Nur so stellt sich eine gute Mutter-Kind-Bindung ein. "Wir haben den Auftrag vom Jugendamt zu kontrollieren, wie die Beziehung zwischen Mutter und Kind ist, ob es dem Kind gut geht", sagt Iris Zimmer, Sozialarbeiterin der Wohngruppe Mutter und Kind Soltau. "Es gibt Situationen, da telefonieren wir hinterher und fragen nach, ob die Mutter beim Arzt oder im Therapiegespräch war."

Ziel ist es jedoch immer, Mutter und Kind in die Selbstständigkeit zu entlassen. Schritt für Schritt sollen die Mädchen lernen, den Alltag zu gestalten, Verantwortung für sich und das Kind zu übernehmen. Dazu gehört auch, die Schule zu beenden und einen Beruf zu erlernen. Das kostet die Mädchen viel Kraft und Durchhaltevermögen, die ja, wie ihre "normalen" Altersgenossinnen auch, mit den Schwierigkeiten der Pubertät kämpfen, mit Problemen in der Schule, den Eltern, dem Freund.

Welche Optionen gibt es noch?

Die Gefahr zu scheitern ist also groß. Manche Mädchen geben von sich aus auf, bei anderen ist trotz aller Hilfen das Kindeswohl gefährdet. In diesen Fällen kommen die Kinder in Pflegefamilien. Für Mütter, die den Kontakt zu den Kindern halten, besteht die Möglichkeit, nach einigen Jahren wieder mit ihnen zusammenzuleben. "Die Mütter können dann aber nicht völlig verschwinden und nach drei Jahren einfach auftauchen und ihr Kind zurückfordern. Sie müssen schon einen guten Kontakt aufbauen und den während der Trennung aufrechterhalten", so Petra Jablonski, die aber einräumt: "Einige junge Frauen haben Probleme, die sie erst einmal bewältigen müssen."

Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit einer Dauerpflegschaft, bei der das Kind dann dauerhaft bei den Pflegeeltern wohnen bleibt. Auch Adoption ist eine Möglichkeit, die in Betracht kommt. Jeder Einzelfall muss sorgfältig abgewogen werden.

Was ist mit der Aufklärung?

Bleibt die Frage, wie es trotz aller Aufklärung heutzutage überhaupt dazu kommt, dass Teenager schwanger werden. Wir leben zwar in einer sexualisierten Gesellschaft, halten uns für modern, liberal und tolerant. Aber wissen Dreizehnjährige tatsächlich in allen Belangen über Sexualität Bescheid? Studien aus den letzten Jahren haben eher das Gegenteil gezeigt und immer wieder gravierende Wissenslücken bei Teenagern entlarvt. Hier sind nach wie vor Eltern und Schule gefragt, mit den Kindern und Jugendlichen zu reden, aufzuklären, Wissen und Werte zu vermitteln.

Schwangerschaft als Lebensmodell

Neben jenen, die ungewollt schwanger wurden, mehren sich die Mädchen, die Mutter sein als Lebensmodell auswählen, "als Alternative zur erfolglosen Lehrstellensuche und allgemeiner Ziellosigkeit; als Neuanfang, der mit der Hoffnung verknüpft ist, selbst eine bessere Mutter als die eigene sein zu können und geliebt zu werden. Die Mädchen erhalten so einen Platz in einer Gesellschaft, in der sie sich sonst wertlos und überflüssig fühlen", so Autorin Diller-Wolff.

"Ich habe noch nie erlebt, dass so ein Plan aufgeht"

Und Antje Jäger, Familienhebamme aus Rotenburg, ergänzt: "Es ist sehr schwierig, eine 15-Jährige zu betreuen, die schwanger geworden ist, weil sie dachte, sie könne so aus ihrem Milieu ausbrechen oder irgend jemand brüskieren, verletzen oder den Freund halten. Diese junge Frau hat eine idealisierte Vorstellung, dass muss sie dann nach der Geburt schmerzhaft erkennen. Sie denkt, sie kann mit einer kleinen heilen Familie in eine Wohnung ziehen und ohne große finanzielle Sorgen ein erfülltes Leben führen. Ich habe noch nie erlebt, dass so ein Plan aufgeht."

Buch-Tipp: "Teenagermütter" von Antje Diller-Wolff, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Preis: 9,95 Euro, ISBN 978-3-86265-068-2

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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