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Alleinerziehende: Jungen fehlt oft die männliche Bezugsperson


Alleinerzogene Jungen
Papa, wo bist du?

Von spiegel-online
24.02.2010Lesedauer: 5 Min.
Trauriger Junge sitzt am Tisch.Vergrößern des BildesJungen, die ohne Vater aufwachsen, haben auch später noch ein erhöhtes Depressionsrisiko. (Bild: Archiv))
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Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst nur mit einem Elternteil auf, meist ist es die Mutter. Der fehlende Vater ist nach Erkenntnissen von Wissenschaftlern vor allem für Jungen problematisch. Selbst Jahrzehnte später haben sie ein erhöhtes Depressionsrisiko. Immer mehr Männer in unserer Gesellschaft leiden darunter, dass sie selbst ohne Vater aufgewachsen sind. "Jedes fünfte Kind in Deutschland wächst mit nur einem Elternteil auf", sagt Matthias Franz, Facharzt für Psychosomatische Medizin am Universitätsklinikum Düsseldorf. "Und in 85 Prozent der Fälle ist es die Mutter." Zudem verlieren viele Kinder nach einer Scheidung den Kontakt zu ihren Vätern, berichtet Gerhard Amendt, Soziologe von der Universität Bremen. "Viele Scheidungskinder bemängeln, dass sie den zweiten Elternteil - in der Regel den Vater - zu wenig gesehen haben", sagt Amendt.

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Vaterlose Kinder haben noch 50 Jahre später erhöhtes Depressionsrisiko

Alleinerziehende Frauen sind oft mit dem Alltag überfordert und leiden wegen der Trennung unter Schuldgefühlen ihrem Kind gegenüber. "Diese Frauen - und damit auch ihre Kinder - sind erhöhten gesundheitlichen und seelischen Belastungen ausgesetzt", berichtet Franz auf dem " Männerkongress 2010", der an der Universität Düsseldorf stattfand. "70 Prozent aller Frauen sagen, dass sie unzufrieden sind, 30 bis 40 Prozent brauchen Unterstützung. Die aber kriegen sie viel zu selten vom Staat. Ein Problem, denn die Mütter haben ein erhöhtes Depressionsrisiko - und das, so Franz, droht sich auf ihre Kinder zu übertragen. Jungen würden zudem oft in die Rolle des Mannes gedrängt - von der sie natürlich überfordert sind. "Zugleich fehlt ihnen die väterliche Identifikationsfigur", sagt Franz. Und wie wichtig die für das ganze Leben des Mannes ist, wird dramatisch unterschätzt.

Erhöhtes Drogen- und Hyperaktivitätsrisiko

Franz untersuchte zusammen mit seinem Kollegen Elmar Brähler von der Universität Leipzig Männer der vom Zweiten Weltkrieg betroffenen Generationen. Fast ein Drittel aller Männer, die zwischen 1933 und 1945 geboren wurden, wuchs kriegsbedingt ohne Vater auf. "Was wir herausfanden, hätten wir beim besten Willen nicht erwartet", sagt Franz. So hatten vaterlose Kinder ein zweieinhalbfach erhöhtes Risiko eine psychogene Beeinträchtigung zu bekommen - zum Beispiel eine Depression. "Und das selbst noch 50 Jahre später", betont Franz. Auch war bei ihnen das Risiko des Drogenmissbrauchs um das vierfache erhöht. Und: Zweimal so viele vaterlose Jungen dieser Generationen waren hyperaktiv.

Elterntraining soll alleinerziehenden Müttern helfen

"Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich", sang Herbert Grönemeyer in seinem Hit "Männer". Und Matthias Franz bestätigt dies aus wissenschaftlicher Sicht: "Väter sind unersetzbar bei der Rollenfindung des Jungen", sagt Franz. "Nur sie können ihm bei der sexuellen Identifikation den Weg weisen - wenn das die Mütter versuchen, bekommen die Jungen Angst." Der Vater zeige dem Jungen auch männliche Wege der Problemlösung auf und helfe ihm bei der Loslösung von der Mutter.

Überwiegend weibliches Personal in Schule und Kitas

Negativ ist auch, dass vaterlose Jungen außerhalb der Familie kaum Identifikationsfiguren geboten bekommen: "In Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen findet sich vorwiegend weibliches Personal", sagt Franz. "Die frühen Sozialisationsräume sind feminisiert." Ein Problem, das auch seine Kollegen Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld und Walter Hollstein von der Universität Bremen bemängeln. "Jungen werden nicht genügend angesprochen in der Schule", beklagt Hurrelmann. "Sie können ihre Körperlichkeit und Aggression nicht einbringen." Stattdessen schreiben die Frauen zunehmend in der Pädagogik die Drehbücher, sagt Hollstein. Weibliche Eigenschaften würden zunehmend zur Norm und männliche als von dieser abweichend klassifiziert. Die Folge: Jungen bekämen zu oft negative Rückmeldungen, wenn sie einfach ihr Jungensein ausleben. Um alleinerziehenden Müttern zu helfen und damit auch ihren Kindern und den vaterlos aufwachsenden Jungen, hat Franz deshalb das Unterstützungsprogramm "Palme" (Präventives Elterntraining für alleinerziehende Mütter geleitet von ErzieherInnen) ins Leben gerufen. Es soll die Mütter vor einer Depression bewahren. Offenbar mit Erfolg: "Erste Studien zeigen, dass wir die Depressionsraten senken konnten", sagt Franz.

Eine Scheidung trifft Männer meist völlig unvorbereitet

Aber auch für die Väter muss mehr getan werden, meint Gerhard Amendt, Soziologe an der Universität Bremen. Er hat 3600 Scheidungsväter systematisch befragt und kommt zu dem Ergebnis: Viele Männer kommen mit einer Scheidung wesentlich schlechter zurecht als bislang angenommen. In seinem Buch "Scheidungsväter" berichtet er von den Ergebnissen im Detail. Amendt beklagt zudem die lange währende Vernachlässigung oder gar Stigmatisierung der Männerforschung: "Wir wissen sehr wenig darüber, wie Männer mit Scheidung umgehen", sagt Amendt. "Es wurde einfach nie erforscht, weil im öffentlichen Diskurs immer die Frage nach der Schuld vorherrschend war." Und die wurde stillschweigend immer den Männern zugeschoben, so Amendt. Erst nach und nach beginne sich das zu ändern und eine Männerforschung zu etablieren. Fakt ist: 60 bis 80 Prozent aller Scheidungen werden von den Frauen eingereicht. Die Männer, so Amendt, treffe das meistens völlig unvorbereitet. Sie würden die Probleme im Vorfeld oft einfach nicht erkennen.

Seelische Beschwerden sind Folge

Umso härter leiden sie an den Folgen: Ein Viertel der Männer berichten nach einer Scheidung von vorübergehenden seelischen Beschwerden, ein weiteres Viertel sogar von ständigen. Da für viele Männer mit der Scheidung und dem Verlust der Familie auch eine wichtige Säule ihres Selbstverständnisses als Ernährer weg breche, so Amendt, stürzten sich viele Männer danach voll ins Berufsleben (24 Prozent) oder verlören das Interesse am Beruf (21 Prozent). Neun Prozent wurde der Job gekündigt.

"Unterschichten sind Problem hinsichtlich der Scheidungen"

Interessant, so Amendt, sei, dass die Männer den Grund ihrer Beschwerden und Probleme fast ausschließlich in der Scheidung sähen. "Viele Probleme aber haben einen langen Vorlauf - was die Männer oft nicht erkennen." Ebenfalls erstaunlich sei, dass ein Drittel der betroffenen Männer psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nähme. Wobei sich hier klare Schichtunterschiede zeigten: "Eine höhere Bildung bewirkt eine stärkere Inanspruchnahme von professioneller, sprachintensiver Hilfe wie beispielsweise Psychotherapie." Geschiedene Väter unterer Bildungsschichten hingegen, so Amendt, würden sich eher dem Arzt oder dem Jugendamt zuwenden. Und genau hier lägen die Probleme, "denn beim Jugendamt erhalten die Männer keine Hilfe".

Bessere Beratung gefordert

Der Grund nach Ansicht Amendts: Jugendämter seien meist weiblich dominiert. Und man treffe dort noch viel zu oft auf eben genau auf jene Weltsicht, bei der die Männer meist als die Schuldigen abgestempelt würden. Die Folge: Die Väter geben zu schnell auf, ziehen sich zurück - und verlieren den Kontakt zu ihren Kindern. Er fordert eine Verbesserung der Beratung. "Es müsste eine verbindliche Beratung geben, die gleich nach der Scheidung dafür sorgt, dass Väter nicht sofort die Flinte ins Korn werfen."


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