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Geschlechtsneutrale Erziehung: Jenseits von Pink und Blau


Jenseits von Pink und Blau
Kinder geschlechtsneutral erziehen

Von dpa-tmn
Aktualisiert am 10.05.2013Lesedauer: 4 Min.
Jungs und Mädchen: einfach mal die Farben tauschen.Vergrößern des BildesJungs und Mädchen: einfach mal die Farben tauschen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Mädchen tragen gerne Rosa, und Jungs spielen nur mit Baggern: Manche Eltern sind von diesen Stereotypen so genervt, dass sie ihr Kind bewusst geschlechtsneutral erziehen möchten. Das ist leichter gesagt als getan. Denn völlig ignorieren lassen sich die Rollenbilder nicht.

"Finden Jungs Bagger einfach so gut, oder weil sie gleich nach der Geburt ein Bagger-T-Shirt bekommen?", fragt eine Mutter. Eine andere ist froh, dass die beiden Töchter ihre Puppenhäuser jetzt selbst bauen: Lego hat eine Reihe extra für Mädchen auf den Markt gebracht, allerdings inklusive Kosmetiksalon und Lippenstiften. Nicht nur auf Spielplätzen, sondern auch in der Wissenschaft wird debattiert: Zu welchen Teilen bestimmen Gene, Hormone und Erziehung die Interessen und das Verhalten von Jungs und Mädchen?

Das kindliche Gehirn ist noch formbar

Ja, es gibt Unterschiede im Gehirn bei Jungen und Mädchen, schreibt die US-Neurowissenschaftlerin Lise Eliot in ihrem Buch "Pink Brain, Blue Brain" (rosa Gehirn - blaues Gehirn). Für ihr Werk hat sie zahlreiche Studien analysiert. Die Unterschiede seien aber gering, und das kindliche Gehirn so formbar, dass die geschlechtsspezifischen Stereotypen erst vom Umfeld mit der Zeit geprägt werden. Beispiele für eine genderneutrale Erziehung sind immer wieder aus Schweden zu hören. In Zeitschriften finden sich Artikel über Eltern, die das Geschlecht ihres Kindes solange wie möglich nicht verraten - damit es weitgehend frei bleibt von Beeinflussungen durch die Umwelt. Müssen Eltern so ins Extrem gehen?

"Kinder wollen Zugehörigkeit"

"Das Geschlecht gehört in unserer Gesellschaft zu den Merkmalen, die identitätsbildend sind. Es ist für uns alle irritierend, wenn wir jemanden vor uns haben, und nicht wissen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt", sagt die Erziehungswissenschaftlerin Hannelore Faulstich-Wieland von der Universität Hamburg. Es sei für die Kinder wichtig, eine Orientierung zu haben. "Ordnet man die Kinder nicht einem Geschlecht zu, bietet man ihnen keine Mitgliedschaft, wir haben ja kein drittes Geschlecht. Kinder wollen aber Zugehörigkeit."

Eltern sollten gelassen bleiben

Die andere Frage sei: Was verbiete ich meinem Kind? "Wenn es für ein Mädchen gerade wichtig ist, gemeinsam mit Freundinnen eine rosa Phase zu haben, sollte man das nicht verbieten. Genau das würde ich aber auch empfehlen, wenn ein Mädchen Fußball spielen will", sagt Faulstich-Wieland. Es gehe darum zu sagen: "'Du bist ein richtiges Mädchen oder ein richtiger Junge, egal für was Du Dich interessierst.' Ich denke, Eltern sollten damit locker umgehen."

Jungen sind beim Spielzeug eher eingeschränkt

Von der Spielzeugindustrie wünscht sich die Erziehungswissenschaftlerin allerdings, dass sie keine Geschlechterzuordnung bei den Spielsachen vornehmen würde, das würde den Kindern aus ihrer Sicht helfen. Insgesamt hätten Mädchen es leichter bei der Auswahl ihrer Spielzeuge, sie könnten auch mit Piratenschiffen spielen. Jungs seien eher eingeschränkt und würden schneller verurteilt, wenn sie etwa mit Lippenstiften spielten.

Den Kindern vielfältige Angebote machen

"Es ist in Ordnung, wenn sich die Kinder in klassischen Erfahrungsräumen aufhalten, solange man ihnen auch andere vielfältige Angebote macht", sagt Beate Proll vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg. Es sei unrealistisch, gesellschaftliche Einflüsse aus der Erziehung herauszuhalten. Neben dem Spielen gehe es aber auch darum, wie sich Jungs und Mädchen verhalten. "Mit Blick auf eine spätere Berufstätigkeit und Chancen müssen Mädchen eine gewisse Form von Durchsetzungsfähigkeit erlangen, und nicht nur als sozial umgänglich gelten."

Unangepasste Mädchen und motorisch aufgeweckte Jungs fallen am meisten auf

Aus Unterrichtsbeobachtungen wüssten die Pädagogen: Bei unangepassten Mädchen, die nicht sozial, engagiert und inhaltlich orientiert seien, werde pädagogisch "am stärksten reagiert". "Alles was bei diesen Mädchen aus dem Rahmen fällt, wird als sehr negativ bewertet. Motorisch sehr aufgeweckte Jungs hingegen werden vor allem in der Pubertät negativ beurteilt, und schnell nur noch als Störer bezeichnet", sagt Proll.

Kinder orientieren sich an Vorbildern in der Familie

Einige Baustellen bleiben da also, auch bei der Berufswahl. Mädchen wählen weiterhin seltener mathematisch-technische Berufe, Jungen weniger soziale Tätigkeitsfelder, sagt Proll. Die Auswahl des Spielzeugs spiele eine Rolle bei der Prägung, sei aber nicht alleine entscheidend. "Wenn Kinder mit Technik oder Experimenten früh Erfahrungen sammeln können, steigt auch das Interesse an solch einem Beruf. Aber: Wenn ich einem Mädchen einen Werkzeugkoffer schenke, und es sieht nie eine Frau, die einen Hammer in der Hand hält, dann wird das Mädchen wahrscheinlich auch nicht damit spielen. Es kommt also auch darauf an, wie stark die Rollen in der Familie stereotypisiert sind."

"Die Identitätsbildung beginnt schon im Kleinkindalter"

Schon in frühen Jahren wollen die Kinder herausfinden, wie sich Jungs und Mädchen unterscheiden. "Die Identitätsbildung beginnt schon im Kleinkindalter, da geht es zunächst einmal um das Ich und die Abgrenzung von anderen. Dann kommt hinzu, sich mit Mama und Papa zu vergleichen, beispielsweise auch wer welche Geschlechtsorgane hat", sagt Karin Jacob vom SOS-Familienzentrum Berlin. Fragen zu genderneutraler Erziehung kämen wenig vor in ihrer Erziehungsberatung, sie berate jedoch Familien mit beispielsweise zwei lesbischen Müttern und ihren Söhnen.

Fragen lauteten dann: Was brauchen die Jungs? Welche Rollenvorbilder gibt es für sie? Wie gehen wir damit um, dass wir anders sind als die meisten?

Mehr Freiheiten, aber dennoch Unterschiede

"Ich glaube, dass wir offener geworden sind und es mehr Freiheiten gibt. Ich denke aber auch, dass die Geschlechter immer noch sehr unterschiedlich erzogen werden. Auch die Spielzeugindustrie mit ihren getrennten Spielwelten kann nur so erfolgreich sein, weil sie etwas in uns als Eltern trifft", sagt Jacob, die Vorstandsmitglied in der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung ist.

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