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Fetale Anämie: Wenn Kinder mit Blutarmut zur Welt kommen


"Geister-Babys"
Warum kommen Kinder mit Blutarmut zur Welt?

t-online, Daniel Reviol

Aktualisiert am 29.08.2016Lesedauer: 3 Min.
Rhesus-Inkompatibilität ist der häufigste Grund für schwere fetale Blutarmut.Vergrößern des BildesRhesus-Inkompatibilität ist der häufigste Grund für schwere fetale Blutarmut. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Schock im Kreißsaal: Das Kind, das soeben zur Welt gekommen ist, ist weiß wie ein Gespenst. Es besitzt fast kein Blut im Körper. Hinter solchen Fällen steckt für gewöhnlich eine fetale Anämie. Eine Blutarmut, die schon vor der Geburt eintritt.

Angela Köninger, leitende Oberärztin an der Universitätsfrauenklinik Essen, erklärt, dass es etwa bei einer von 1000 Schwangerschaften zu einer fetalen Anämie kommt. Das heißt, es herrscht beim Fötus ein Mangel an Erythrozyten, also roten Blutkörperchen. In etwa zehn Prozent dieser Fälle sei eine Bluttransfusion notwendig, so Köninger.

Rhesus-Inkompatibilität ist häufigster Grund für fetale Blutarmut

Eine solche fetale Blutarmut kann unterschiedliche Ursachen haben. Fälle, in denen eine Transfusion unumgänglich wird, sind zu etwa 85 Prozent auf eine Rhesus-Inkompatibilität zurückzuführen. Das berichten Köninger und Norbert Wagner in einer Fachschrift zum Thema.

Der Rhesusfaktor ist eine winzige Struktur, die auf den Erythrozyten sitzt. Etwa 85 Prozent der mitteleuropäischen Bevölkerung besitzen den Rhesusfaktor und gelten damit als Rhesus-positiv. Bekommt eine Rhesus-negative Frau mit einem Rhesus-positiven Mann ein gemeinsames Kind, kann der Nachwuchs durch die möglichen Vererbungsmuster entweder Rhesus-negativ oder Rhesus-positiv sein. Ist das Kind schließlich anders als die Mutter Rhesus-positiv, liegt eine Rhesus-Inkompatibilität vor.

In so einem Fall erkennt das mütterliche Immunsystem die Blutzellen des Kindes als fremd, woraufhin es Antikörper bildet, die die fetalen Blutkörperchen zerstören und eine Anämie beim Kind auslösen. Das entspricht der normalen Immunabwehr, wie sie bei einer Infektion mit Bakterien oder Viren stattfindet. Da es oft erst bei der Geburt zur Vermischung von kindlichem und mütterlichem Blut kommt, wirkt sich die Sensibilisierung meistens erst bei folgenden Schwangerschaften aus.

Rhesus-Prophylaxe kann Anämie verhindern

Hat die Rhesus-Sensibilisierung des mütterlichen Immunsystems einmal stattgefunden, lässt sie sich nicht mehr rückgängig machen. Allerdings kann man sie während der ersten Schwangerschaft verhindern. Deshalb gehört eine Bestimmung der Blutgruppe im frühen Schwangerschaftsstadium zu den üblichen Vorsorgemaßnahmen.

Bei der Rhesus-Prophylaxe erhalten Rhesus-negative Mütter in der 28. Schwangerschaftswoche sowie spätestens 72 Stunden nach der Geburt eines Rhesus-positiven Kindes Rhesusfaktor-Antikörper verabreicht. Dadurch bleibt die Antikörperbildung aus und auch Folgeschwangerschaften sind nicht gefährdet. Die Prophylaxe ist bei Rhesus-negativen Frauen unter anderem auch nach Fruchtwasserpunktion, Bauchtrauma, Blutungen des Mutterkuchens, Bluttransfusion, Fehlgeburt und Abtreibung notwendig.

Die Einführung der Rhesus-Prophylaxe in den 1960er Jahren führte zu einer starken Abnahme der Rhesus-Inkompatibilität. In den 60ern war diese Erkrankung des Ungeborenen für zehn Prozent aller Totgeburten verantwortlich. Ende der 80er lag die Rate bei zwei Prozent und heute nur noch im Promillebereich.

Ringelröteln-Virus zerstört rote Blutkörperchen des Ungeborenen

Neben der Rhesus-Inkompatibilität gibt es laut Wagner und Köninger mehr als 50 weitere Antigene, die möglicherweise zu einer fetalen Blutarmut führen können.

Als nicht-immunologische Ursache kommt am häufigsten eine Infektion mit dem Paravirus-B19 in Frage, der Ringelröteln hervorruft. Während einer solchen Erkrankung in der Schwangerschaft wird das Virus in etwa einem Drittel der Fälle über die Plazenta auf den Fötus übertragen. Das Paravirus-B19 befällt beim Kind die roten Blutkörperchen und zerstört diese.

Anämie kann tödlich verlaufen

Erythrozyten versorgen die Organe mit Sauerstoff. Eine länger währende Unterversorgung kann eine tödliche Kreislaufstörung zur Folge haben. Außerdem führen laut Köninger 1,5 Prozent der fetalen Anämien zu einem Hydrops fetalis. Dabei handelt es sich um Flüssigkeitsansammlungen in verschiedenen Körperhöhlen.

Während die Sterberate der Kinder bei Hydrops fetalis in den 70er Jahren noch bei 100 Prozent lag, ist sie inzwischen aufgrund verbesserter Diagnosemethoden und Möglichkeiten der Bluttransfusion deutlich gesunken. Wie die Prognose im Einzelfall aussieht, hängt von mehreren Faktoren ab, wie dem Zeitpunkt der Diagnose oder ob zum Beispiel zusätzlich ein Herzfehler vorliegt. Angaben von Geburtsexpertin Köninger zufolge liege die Sterberate bei einem Hydrops heute bei etwa zehn Prozent.

Diagnose- und Behandlungsmethoden verbessern die Chancen der Kinder

Das Risiko, dass eine fetale Anämie für das Kind tödlich verläuft, ist heutzutage gering. Durch Ultraschalluntersuchungen beziehungsweise Doppler-Sonografien, mit denen unter anderem Blutfluss-Geschwindigkeiten festgestellt werden können, lässt sich der Grad der Blutarmut beim Fötus bestimmen. Zudem kann der Anämie durch eine intrauterine Behandlung - also einer Behandlung innerhalb der Gebärmutter - entgegengewirkt werden.

Die einfachste Methode ist eine Nabelschnurbluttransfusion, bei der die Transfusion über die Nabelvene der Mutter durchgeführt wird, so Rainer Bald, leitender Arzt der Pränatalmedizin in der Frauenklinik Leverkusen, in einem Beitrag zur Transfusionsmedizin auf den Seiten des Deutschen Roten Kreuzes. Zwar gilt diese Vorgehensweise als technisch anspruchsvoll, ist aber mit keiner höheren Komplikationsrate verbunden, wie Bald erläutert.

Feten mit Blutarmut können so noch vor dem Auftreten eines Hydrops, was mit einer deutlich schlechteren Prognose verbunden ist, rechtzeitig erkannt und während der weiteren Schwangerschaft engmaschig überwacht und notfalls therapiert werden.

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