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Lehrer: So streng müssen Lehrer sein


Schulkind & Jugendliche
Kuschelpädagogik oder mehr Disziplin: Wie streng müssen Lehrer sein?

t-online, Nicola Wilbrand-Donzelli

01.03.2011Lesedauer: 6 Min.
Brauchen wir strengere Lehrer?Vergrößern des BildesBrauchen wir strengere Lehrer? (Quelle: imago/imago-images-bilder)
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Früher, da war der Lehrer noch wer, hat seine Schüler mit unangefochtener Autorität durch die Schulzeit geleitet. Heute ist sein pädagogischer Auftrag zwar noch derselbe, doch autoritärer Unterrichtsstil war in den letzten Jahrzehnten nur noch selten gefragt und die Anforderungen an die Lehrkräfte sind dank PISA und Turbo-Abi zusätzlich gestiegen. Hinzu kommt, dass es immer schwieriger wird, Kinder für Unterrichtsstoffe zu begeistern oder kritische Eltern zufrieden zu stellen, die mehr individuelle Förderung für ihre Kinder fordern. Dieser gewachsene Anspruch innerhalb eines komplexen Schulsystems hat den Ruf nach mehr Autorität und Strenge in der Schule hervorgebracht.

Debatte unter Pädagogen

Hoch schlugen die Wellen der Empörung, als Ursula Sarrazin kürzlich mehr Strenge in unseren Schulen forderte. Ihr Vorwurf an die Lehrer, sie kapitulierten viel zu schnell vor schwierigen Schülern: "Ich versuche einfach nur konsequent zu sein. Klare Regeln, klare Rituale. Sie erleichtern das Miteinander", so untermauerte die Berliner Grundschullehrerin ihre umstrittene These. Doch die Diskussion über autoritäre Erziehungsformen ist nicht erst mit der Sarrazin-Debatte aufgekommen.

Schon seit längerem machen sich Pädagogen über das Thema Gedanken und viele plädieren für mehr Disziplin in unseren Schulen. Auch bei aktuellen Erziehungsratgebern gibt es Stimmen gegen zu viel "Laissez-Faire"-Pädagogik. Bis vor wenigen Jahren wären Bücher mit Titeln wie "Warum unsere Kinder Tyrannen werden (Michael Winterhoff) oder "Der kleine Tyrann: Welchen Halt brauchen Kinder“ (Jirina Preskop) undenkbar gewesen.

Bernhard Bueb, der ehemalige Leiter des Elite-Internats Salem, plädiert in seiner Streitschrift "Lob der Disziplin“ ebenfalls für einen Erziehungsstil ohne Kuschelpädagogik und Kumpellehrer. In einem Interview mit dem Südwestfunk sagte er: “Erziehende müssen Kinder führen, sie müssen ihnen Orientierung geben, sie müssen als Autorität auftreten, sie müssen Vorbild sein. Ein Vorbild kann aber ein Schüler nur anerkennen, wenn dieses Vorbild Autorität hat.“

Schlechte und gute Autorität

Das Autoritätsprinzip wird von vielen Eltern misstrauisch beäugt, denn sie verbinden damit oftmals ein hierarchisches Machtprinzip, das um seiner selbst willen ausgeübt wird und das automatisch Ungerechtigkeit und Zwang in die Schule bringt. Bernhard Bueb bedauert, dass dies in Deutschland oft so gesehen wird: "Es ist ein deutsches Missverständnis, dass Autorität und Demokratie sich ausschließen. In der Demokratie ist die Autorität genauso wichtig wie in jedem anderen System. Nehmen Sie den amerikanischen Präsidenten - das ist praktisch ein König auf Zeit.“ Der Hannoveraner Diplompädagoge Wolfgang Bergmann definiert "gute Autorität“ als verbindlich und großzügig und nicht als kompromisslos und starr: "Kinder brauchen keine Grenzen an sich, sie brauchen auch keine Autorität an sich, sie benötigen freilich Leitung und Lenkung durch Autorität, um zu sozialen, einfühlenden und zur Selbstreflexion begabten Menschen zu werden. Sie brauchen Autorität als Schritt auf etwas hin.“

Schüler bevorzugen strenge Lehrer

Dass es für viele Lehrer im stressigen Schulalltag nicht selbstverständlich ist, Autorität und das Streben nach Sympathiepunkten unter einen Hut zu bringen, kann man an ihren Äußerungen in Internetforen für Lehrkräfte ablesen: "Ich denke beides geht. Man kann nett sein und dennoch seine Ansprüche durchsetzen. Dazu musst du dir aber selbst klar darüber sein, was du willst oder nicht willst und dann auch konsequent dazu stehen“, schreibt ein junger Lehrer. Ein anderer fragt: "Kann man es schaffen, auch als freundlicher, ruhiger, eventuell sogar zurückhaltender Lehrer Disziplin zu erreichen?“

Schüler haben erstaunlicherweise weniger Schwierigkeiten mit dem Thema Autorität und Strenge. Ihr Votum ist eindeutig: "Es sind nicht die strengen Lehrer, die den Schulalltag unerträglich machen, sondern eher die, die einen ziemlich laschen Unterrichtsstil haben - und sich beinahe vor der Klasse zu fürchten scheinen. Nach meinem Eindruck sind es sogar eher strenge Lehrer, die bei Schülern am beliebtesten sind - solange sie gerecht sind und Humor haben“, so die 14-jährige Svenja in einem Interview mit der Berliner Morgenpost.

Bei strengen Lehrern lernt man mehr

Eine Umfrage unter Siebtklässlern bestätigt dies. Lehrer müssten den Unterricht mit einer gewissen Strenge führen, sonst "macht jeder, was er will“ und "die ganze Klasse quatscht und man lernt nicht“. Alle würden dann denken "dem ist das doch egal“ und sich zu wenig anstrengen. Auch befragte Neuntklässler kennen die Vorteile strenger Lehrer. "Jede Stunde bei ihm ist sehr fordernd, das ärgert zwar manchmal, aber leider muss man zugeben, dass man bei diesem Lehrer häufig am besten lernt“, lobt Martha einen ihrer Pauker.

In all diesen Äußerungen wird deutlich, dass Schüler sich Lehrer wünschen, die Autoritätspersonen sind, sich Respekt vor der Klasse verschaffen, Regeln aufstellen, auf das Einhalten von Grenzen bei sozialen Konflikten bestehen und dabei noch fair gegenüber der Klasse bleiben. Was die Kinder nicht mögen, ist Ungerechtigkeit. Sie wollen zum Bespiel nicht "bei falschen Antworten herunter gemacht werden“ oder "bei jeder Kleinigkeit angemotzt werden“ so zwei Siebtklässler.

Abgrenzung und Identität

Diese positiv bewertete Autorität scheint den Schülern eine Art Leitfaden zu geben. Das bestätigen auch die Forschungen des Schweizer Jugendpsychologen Allan Guggenbühl. Auch er plädiert für einen "Schuss mehr Strenge“, denn den jungen Menschen wären durch die dominierende weichgespülte Erziehung erwachsene Gegenspieler abhanden gekommen. Ein Vater in der Rolle des permanent gönnerhaften Freundes oder ein Lehrer als Dauerkumpel taugten nicht als adäquate Partner kindlicher Identitätsfindung, so der Psychologe. Demnach braucht ein Kind zum Lernen eben nicht den wohlwollenden Begleiter, sondern auch einen fordernden, Anstrengung verlangenden und mitunter frustrierenden Gegenüber.

Strafen und Konsequenzen

Bei strenger Erziehung spielen auch Konsequenzen aus fehlerhaftem Verhalten eine Rolle. Damit eine Strafe auch wirksam ist, ist es wichtig, dass - gleichgültig ob im privaten oder schulischen Umfeld - dem Kind vorher mitgeteilt wird, was für Folgen zu tragen sind, wenn beispielsweise eine Regel gebrochen oder eine Vereinbarung nicht eingehalten wird. Der ehemalige Schulleiter Bernhard Bueb befürwortet diese Pädagogik der "harten Hand“ als Garant schulischer Ordnung und empfiehlt bei nötigen "Sanktionen“ immer einen Sinnzusammenhang mit dem "Vergehen“ herzustellen: "Wer gerecht erziehen will, muss bereit sein zu strafen.“ Eine Bestrafung könne zudem auch entlastend wirken und dem Kind die Möglichkeit geben Schaden wieder gut zu machen und Schuldgefühle zu verarbeiten.

Strafen, wie er sie versteht, hätten nichts mit Liebesentzug und körperlicher Züchtigung zu tun und stellten auch keinen Widerspruch zu einer Erziehung mit möglichst viel Eigenverantwortung dar. Denn Kinder sollten so früh wie möglich Verantwortung für ihr Verhalten tragen lernen. Als langjähriger Internatsleiter machte Bueb bei seinen Schülern die Beobachtung, dass Erklärungen und Aufklärungsfilme beispielsweise über Gefahren beim Radfahren ohne Helm wenig fruchteten. Erst, als eine einwöchige Beurlaubung eingeführt wurde, gab es kaum noch Verstöße gegen die "Fahrradhelmpflicht“, weil kein Schüler gerne ausgeschlossen wird.

Schulalltag und "neue Strenge"

Der Erziehungswissenschaftler Michael Brumlik von der Frankfurter Goethe Universität kritisiert diese Ansichten als "Kasernenhofpädagogik“, die Vorschläge für eine Welt machte, die es schon lange nicht mehr gäbe. Doch es gibt Schulen in Deutschland, die diese Pädagogik als zeitgemäß begreifen und die "neue Strenge“ konsequent anwenden, um im schulischen Alltag mehr Disziplin und Ordnung durchzusetzen.

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Eine davon ist die Rosensteinschule im Stuttgarter Norden, wo 80 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben und nach Aussagen der Lehrer ein geordneter Unterricht kaum möglich war. Auch Schlägereien waren an der Tagesordnung. Nun wird hier das pädagogische Konzept der "sozialwirksamen Schule“ mit vielen strengen Verhaltensregeln angewendet, das Schulleiterin Ingrid Macher gegenüber dem Südwestfunk erklärt: "Es gibt Primär- und Sekundärtugenden, und die leben wir. Und dazu gehört Disziplin, Pünktlichkeit, Achtung vor dem Mitmenschen.“

Buße tun beim Stuhlkreis und im Trainingsraum

Außerdem dürfen die Schüler keine Kappen tragen, keinen Kaugummi kauen und sollten freundlich und höflich zu Mitschülern und Lehrern sein. Bis ins Kleinste ist geregelt, für welche Verfehlungen, zu denen auch Spucken oder unkontrolliertes Lachen gehört, es Bemerkungen oder Einträge gibt. Beim Morgen-Stuhlkreis kommen ebenfalls Regelverstöße zur Sprache. Dort lernen die Schüler vor allen ihren Fehler einzugestehen.

Im sogenannten Trainingsraum werden "Disziplinarverfahren“ für Schüler abgehalten. Dort müssen sie ihren Verstoß aufschreiben und schriftlich versichern, dass sie in Zukunft nicht mehr über das Ziel hinausschießen. Wer dreimal im Trainingsraum war, dem droht die Klassenkonferenz, die Sozialstunden verordnen oder sogar den Schulverweis beschließen kann. Solche Maßnahmen scheinen auf den ersten Blick zu wirken, denn in der Schule herrscht Ruhe. Doch Schulleiterin Ingrid Macher hofft, dass die strenge Erziehung auch außerhalb der Schule abfärbt und die Kinder etwas für ihr Leben mit auf den Weg bekommen.

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