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AfD-Skandal: "Putins bezahlte Claqueure müssen identifiziert werden"


Putins Propaganda-Netzwerk und die AfD
"Das führt in Deutschland zu massiven Problemen"


Aktualisiert am 29.03.2024Lesedauer: 7 Min.
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AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah (r.), AfD-Chefin Alice Weidel: Sie pflegen beste Verbindungen zu Russland. (Quelle: Jens Schlueter/getty-images-bilder)

AfD-Politiker sollen Geld von einem pro-russischen Propaganda-Netzwerk erhalten haben. Nicht nur der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl pflegt enge Kontakte. Die Sorge im Bundestag ist groß.

Maximilian Krah kommt zu spät zur Diskussionsrunde. Doch rasch äußert sich der AfD-Politiker deutlich zu Putins Krieg gegen die Ukraine: Solange Politiker im Europäischen Parlament glaubten, dass "wir die westliche Hegemonie und die liberale Ordnung und die Menschenrechte und alles, an was sie so glauben" in der Ukraine verteidigen müssten, so lange würden die Russen kämpfen.

Mit dem Einsatz des Westens müsse Schluss sein, so Krah. Der "Konflikt" müsse "reregionalisiert" werden. Die US-Republikaner hielten nun amerikanisches Geld für die Ukraine zurück. "Der Kampf geht an uns, diesen Unsinn zu stoppen", fordert Krah.

Der Einsatz der Europäer für die von Putin überfallene Ukraine? Unsinn. Russland? Nicht Aggressor, sondern Verteidiger. Menschenrechte? Eine reine Glaubensfrage. Das EU-Parlament? Der Ort, an dem Krah daran arbeiten will, die Unterstützung für die Ukraine zu beenden.

Pro-russisches Netzwerk soll EU-Politiker schmieren

Antiwestliche Putin-Propaganda in diesem Stil ist für den Spitzenkandidaten der AfD nichts Neues. Im Gegenteil: Er ist berühmt-berüchtigt dafür, selbst in der eigenen Partei. Und er ist nicht der Einzige. Stärker als jede andere Partei liebäugelt die AfD seit Jahren mit Russland, pflegt enge Verbindungen, verteidigt die Politik des Kremls.

Neu aber sind die Vorwürfe, die gegen das Portal erhoben werden, das die Podiumsdiskussion mit Krah und anderen EU-Abgeordneten rechter Parteien im Oktober 2023 auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht hat: Die tschechische Regierung hat "Voice of Europe" gerade auf seine Sanktionsliste gesetzt – wegen von Russland finanzierter Einflussnahme auf die Politik in Europa, ganz in Putins Sinne. Die Geheimdienste mehrerer europäischer Staaten hatten zuvor zusammengearbeitet, um das Netzwerk zu enttarnen.

Das Netzwerk habe auf dem Gebiet der EU "gegen die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine" agitiert, sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala. Die Aktivitäten reichten "bis zum Europäischen Parlament". In Polen gab es im Zusammenhang mit der Enttarnung am Donnerstag bereits Durchsuchungen. In Deutschland erklärte eine Sprecherin des Innenministeriums, es würden "erhebliche Geldmittel" zur Verfügung gestellt, um Einfluss auf das Europäische Parlament zu nehmen.

Konkreter wurde die tschechische Zeitung "Denik N" unter Berufung auf Informationen aus Kreisen des Geheimdienstes: Politiker aus sechs europäischen Ländern sollen von dem Netzwerk um das Putin-Portal bezahlt worden sein, um den russischen Einfluss in der Europa-Politik zu mehren.

Darunter: Politiker aus Deutschland. Konkret: Politiker der AfD. Dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zufolge soll das Geld entweder bei persönlichen Treffen in Prag in bar übergeben oder per Kryptowährung transferiert worden sein.


  • Auch interessant: Um den Erfolg populistischer Parteien wie der AfD und dem BSW diskutieren wir hier im Podcast. Führt das zu mehr Zersplitterung? (ab Min. 11:30)
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Gerüchte über Geldkoffer aus Russland in der AfD

In der AfD verwundert das viele nicht. Dort kursieren zahlreiche Gerüchte zur Einflussnahme Russlands und anderer ausländischer Regimes auf Funktionäre der Partei. Von Geldkoffern, die aus Russland nach Deutschland gebracht werden und fetten Briefumschlägen hört man in ihrem Umfeld immer wieder.

Nach der jüngsten Veröffentlichung heißt es am Donnerstag aus Kreisen der Partei: Das könnte nur die Spitze des Eisbergs sein. Dort halten es manche nicht für ausgeschlossen, dass nicht nur Gelder fließen, sondern Parteikollegen in direktem Auftrag von ausländischen Regierungen arbeiten. Immerhin gerieten Abgeordnete auch durch Recherchen von t-online bereits mehrfach in diesen Ruf, unter anderem der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier.

EU-Spitzenkandidat Krah ist bereits mehrfach auf Plattformen von "Voice of Europe" in Erscheinung getreten. Zwei Interviews hat er dem Portal gegeben, das erste mit dem Titel "Die Grünen zerstören Deutschland" im September 2023. Das zweite ist auf YouTube erst vor einem Monat erschienen, Titel: "Der deutsche Staat wird die USA niemals für die Angriffe auf Nord Stream zur Rechenschaft ziehen".

Außerdem hat "Voice of Europe" zwei Podiumsdiskussionen mit Krah und anderen EU-Abgeordneten rechter Parteien veröffentlicht – die eine im September, die andere im Dezember. Bei beiden Veranstaltungen war der Krieg in der Ukraine Thema.

Und Krah ist nicht der Einzige: Auch der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron hat sich von "Voice of Europe" interviewen lassen. Bis vor Kurzem war Bystron Leiter des Arbeitskreises Außen in der AfD, dessen Mitglieder im Gros als überaus russlandfreundlich gelten. Im Sommer wurde er auf Platz zwei der Liste für die Europawahl gesetzt – gleich hinter Krah. Der Wechsel von Berlin nach Brüssel ist Bystron damit nach der Wahl im Juni sicher.

Der jüngste AfD-Auftritt bei "Voice of Europe" aber stammt von Joachim Kuhs. Er war bis vor Kurzem Leiter der AfD-Delegation im Europaparlament, erst vor zwei Wochen wurde er abgewählt. Kuhs gilt als Alice Weidels treuer Mann in Brüssel; wie die AfD-Chefin stammt er aus dem Landesverband Baden-Württemberg.

"Deutschland wird ständig unter Druck gesetzt, den Krieg in der Ukraine zu eskalieren" lautet der Titel des Anfang März veröffentlichten Interviews, bei dem Kuhs an seinem Schreibtisch in Brüssel sitzt. "Wir können nicht an einem solchen Krieg teilnehmen", sagt Kuhs da. Der Krieg gegen Russland sei nicht zu gewinnen. Und: Russische Soldaten dürften nicht wieder mit deutschen Waffen getötet werden. "Was sollen die über uns denken?"

Krahs Besuch in Prag

Krah wie Kuhs weisen Vorwürfe, sie hätten für die Auftritte oder überhaupt Geld von "Voice of Europe" Geld erhalten, auf Anfrage von t-online vehement zurück. Krah sagt, er sei im späten Sommer von dem Portal erstmals für ein Interview angefragt worden und im September von Dresden nach Prag gefahren. Dort habe er den Hauptsitz von "Voice of Europe" besucht sowie den nun ebenfalls sanktionierten Geschäftsführer, Artem Martschewskyj, kennengelernt. Beim Erstkontakt mit unbekannten Medien schaue er immer genauer hin.

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Unverdächtig sei ihm alles erschienen, deswegen sei im Anschluss in Prag das erste Interview aufgezeichnet worden. "Ich habe weder Geld angeboten bekommen noch angenommen", sagt Krah. Auch die Fahrtkosten sowie das Hotel in Prag habe er selbst bezahlt.

Die Einladungen zu den Podiumsdiskussionen im Herbst und Winter wiederum seien gar nicht von "Voice of Europe" an ihn gerichtet worden, so der AfD-Politiker. Vielmehr hätten ihn Kollegen, die ebenfalls auf dem Podium saßen, eingeladen. Die Gesprächspartner seien unverdächtig gewesen, die Auswahl ausgewogen, gefilmt hätten die Gespräche Parlamentsmitarbeiter.

Auch Joachim Kuhs will zum Interview nicht direkt von "Voice of Europe" eingeladen worden sein. Als er das Interview gegeben habe, sei ihm nicht bewusst gewesen, dass es auf der Plattform erscheine, sagt er t-online. "Ich dachte, ich hätte mit dem European Conservative gesprochen." So habe der Journalist sich vorgestellt.

Krah zweifelt an, dass die aus Tschechien geäußerten Vorwürfe gegen "Voice of Europe" stimmen: "Das ist eine Behauptung im Vorwahlkampf", sagt er mit Blick auf die Europawahl im Juni. Und sollte es eine solche aus Russland gesteuerte Korruption über das Portal tatsächlich geben: "Mich betrifft es nicht."

Krah pflegt enge Kontakte zu Putins Vertrautem

Der Verdacht ist aber in der Welt. Auch wenn Krah vehement bestreitet, Geld für seine Auftritte bei dem ominösen Portal erhalten zu haben: Schon vor Jahren pflegte er persönliche und politische Verbindungen zu dessen Hintermännern. Zentrale Akteure: der kremltreue ukrainische Oligarch Wiktor Medwedtschuk und seine Verbündeten, denen tschechische Behörden die russische Einflussoperation zuordnen und sie deswegen auf Sanktionslisten gesetzt haben.

Putins persönlicher Freund Medwedtschuk galt fast 20 Jahre lang als der wichtigste pro-russische Politiker in der Ukraine. In der Zeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war er zu erheblichem Reichtum gekommen. Sein Vermögen wurde 2008 auf mehrere Hundert Millionen Euro geschätzt, das weitgehend auf Konten in Belarus liegen soll.

Für seine mutmaßliche Rolle bei Russlands Annexion der Krim 2014 belegten ihn die USA und Kanada mit Sanktionen. Wegen mutmaßlichen Hochverrats wurde er 2021 unter Hausarrest gestellt. Kurz vor der russischen Invasion folgten weitere Sanktionen, weil er eine russische Marionettenregierung habe installieren wollen. Mittlerweile lebt er nach Flucht, Gefangennahme und Gefangenenaustausch im russischen Exil.

Wann Krahs Verbindung mit ihm begann, ist unklar. Belegt sind aber Kontakte zwischen ihnen seit Oktober 2019, kurz nachdem Krah für die AfD erstmals in Europaparlament einzog. Damals postete Krah ein Foto von sich beim Dresdner Opernball in Sankt Petersburg auf Facebook. Mit auf dem Bild: Oleg Voloshin, der seit vielen Jahren mit Medwetschuk eng verbunden ist. Er ist Abgeordneter seiner Partei, Mitarbeiter in einem seiner Medienunternehmen – und gilt als sein Mittelsmann im westlichen Ausland.

Auch er ist mit Sanktionen belegt und in der Ukraine wegen mutmaßlichen Hochverrats angeklagt. In Zusammenhang mit der russischen Operation zur Beeinflussung der US-Wahl 2017 verhörte ihn das FBI wegen seiner Verbindung zu Trump-Berater Paul Manafort. Medwetschuks weiterer Vertrauter, Taras Kozak, gilt den US-Behörden sogar als zentrale Schaltstelle der russischen Geheimdienstoperation zugunsten des späteren US-Präsidenten Trump.

Als Medwetschuk drei Monate nach Krahs Treffen mit Voleshyn in Sankt Petersburg Runden mit Parlamentariern im französischen Parlament und im Bundestag initiierte, spielten auch die beiden wieder eine Rolle: Voloshyn übernahm die Organisation der Treffen, die für seine Sicht auf den Krieg in der Ukraine werben sollten – und wurde dabei offenbar aus Krahs Büro in Brüssel unterstützt. Das zumindest legt ein Bericht eines Reporters der russischen Zeitung "Novaya Gazeta" nahe, der am Treffen in Paris teilnahm.

Voloshyn habe ihm keine Liste der geladenen Gäste zur Verfügung stellen können – das habe Krahs damaliger Assistent Guillaume Pradoura übernommen. Vier Tage später reiste Medwetschuk zum Treffen mit AfD-Politikern im Bundestag. Teilnehmer waren unter anderem Maximilian Krah und Petr Bystron. Ein Jahr später reiste Krah in die Ukraine, feierte Geburtstag mit Voloshyn und besuchte Medwetschuk im Hausarrest.

Grüne und Linke fürchten Sicherheitsrisiko durch Putins Claqueure

Im Bundestag ist man mit Blick auf den europaweiten Propaganda-Skandal äußerst beunruhigt. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte t-online, die "skandalösen Geschehnisse" um "Voice of Europe" führten einmal mehr vor Augen, dass Russland gezielt Einfluss auf europäische Staaten nehme, um Demokratien zu destabilisieren. Die hybride Kriegsführung Russlands, die Desinformation, Angriffe auf kritische Infrastrukturen und Spionage kombiniere, "führt gerade auch in Deutschland zu massiven und sehr ernst zu nehmenden sicherheitspolitischen Problemen".

Die AfD mache dabei keinerlei Geheimnis daraus, dass sie sich als "Russlands Sprachrohr" in Deutschland verstehe, so von Notz weiter. "Es gilt, alle Hintergründe und Zusammenhänge unverzüglich aufzuklären, Ermittlungen konsequent zu führen und Klarheit über die parteirechtliche aber auch strafrechtliche Bedeutung dieser ungeheuerlichen Vorgänge zu schaffen."

Ähnlich sieht man es bei der Linken: "Die Propagandamaschinerie der AfD wurde schon früher aus intransparenten Quellen finanziert", sagte Linken-Politikerin Martina Renner t-online. "Diese Geldflüsse müssen gestoppt, ihre Empfänger identifiziert und von Wahlen ausgeschlossen werden."

Dafür müssten die Anti-Geldwäsche-Einheit Financial Intelligence Unit (FIU), die Bundestagsverwaltung und die europäischen Antikorruptionsbehörden nun zusammenarbeiten. "Sie müssen den Zuständigen im Europaparlament diese Finanzquellen trockenlegen und die bezahlten Claqueure identifizieren."

Verwendete Quellen
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