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Prävention: Diese sechs Fähigkeiten machen Kinder stark


Kleinkind
Diese sechs Fähigkeiten machen Kinder stark

28.12.2012Lesedauer: 4 Min.
Auf dem "Streitteppich" lernen Kinder, Konflikte zu lösen.Vergrößern des BildesAuf dem "Streitteppich" lernen Kinder, Konflikte zu lösen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Kinder

t-online.de: Gab es einen bestimmten Anlass für die Gründung von "Freunde"?

Jürgen Koerver-Stümper: Ja. Die Initiative dazu kam 1998 bei einem Treffen von Rotary-Clubs im Chiemgau in Bayern auf. Unter den Rotariern sind ja auch Ärzte. Sie hatten es in ihren Praxen zunehmend mit Drogensüchtigen und Gewaltopfern zu tun und fanden: So kann es nicht weitergehen! So entwickelte sich die Idee, Kindern schon im Kindergarten das nötige Rüstzeug für ein Leben ohne Gewalt und Drogen mitzugeben.

Daraufhin haben wir für ein Fortbildungsprogramm für Kita-Fachkräfte Geld gesammelt und Sponsoren gesucht. Inzwischen gibt es bundesweit 100 Trainer, die Erziehern und Erzieherinnen das Präventionsprogramm in Seminaren vermitteln. Außerdem haben wir ein Handbuch zum "Freunde"-Programm aufgelegt und bieten Informationsangebote für Eltern.

t-online.de: Was ist das Ziel des Programms?

Koerver-Stümper: Das Ziel ist es, Kinder so prägen, dass sie starke Persönlichkeiten werden, dass sie lernen, Konflikte zu lösen und später nicht in Gefahr laufen, Drogen zu nehmen.

Diese sechs Fähigkeiten brauchen Kinder

t-online.de: Welche Fähigkeiten sollte man Kindern heutzutage mit auf den Weg geben?

Koerver-Stümper:

  • Selbstwahrnehmung
    - damit sie lernen, etwas mit eigenen Mitteln zu schaffen oder umzusetzen.
  • Kommunikationsfähigkeit
    - damit sie auf andere Kinder zugehen können.
  • Probleme lösen können
    - damit sie selbst Auswege aus Konflikten finden.
  • innovativ sein
    - damit sie sich verschiedene Lösungswege vorstellen und sie erproben können
  • Teamfähigkeit
    - damit sie gemeinsam spielen und arbeiten können.
  • Einfühlungsvermögen
    - damit Kinder spüren, wie weit sie gehen können, ohne sich Freundschaften kaputtzumachen.

Wie man Kindern Lebenskompetenz vermittelt

t-online.de: Lebenskompetenz ist ein zentraler Begriff auf der Website der Stiftung "Freunde", ein Begriff aus der Erwachsenenwelt. Wie kann man Kleinkindern in der Kita die Bedeutung vermitteln?

Koerver-Stümper: Die Weltgesundheitsorganisation hat "Lebenskompetenz" so definiert, dass jemand sich selbst kennt, empathisch ist, kritisch und kreativ denkt, kommunizieren und Beziehungen führen kann, durchdachte Entscheidungen trifft, erfolgreich Probleme löst und Gefühle und Stress bewältigen kann.

Daraus haben wir diese sechs pädagogische Vorhaben abgeleitet, die in unserem Fortbildungsprogramm vermittelt werden. Diese Bausteine heißen "mit viel Gefühl", "Mitsprache für Kinder", "Selber-mach-Tag", "Gute-Freunde-Spiel", "ein Platz zum Streiten" und "Inseln der Ruhe".

t-online.de: Müssten die Erziehungskräfte generell besser ausgebildet werden?

Koerver-Stümper: Ich finde, dass Erzieherinnen und Erzieher heutzutage gut und umfassend ausgebildet werden. Aber nach meiner Meinung ist die Ausbildungszeit von fünf Jahren zu lang und das Gehalt ist zu niedrig. Die lange Ausbildung, die schlechte Bezahlung und die geringe Wertschätzung sind abschreckende Elemente. Viele steigen aus, weil das Gehalt nicht reicht.

"Kinder brauchen andere Kinder"

t-online.de: Erzieher können nicht alles ausbügeln, was im Elternhaus versäumt wurde. Welche Rolle spielen die Eltern und welche die Erzieher?

Koerver-Stümper: Das Elternhaus ist sicherlich ganz wichtig. Andererseits brauchen Kinder andere Kinder, um soziale Kompetenz zu entwickeln. Diese wichtige Erfahrung findet heute weitgehend im Kindergarten statt. Dort lernen sie, sich in eine Gemeinschaft einzufügen.

Viele Eltern haben ja heute nur noch ein Kind, sind im Durchschnitt älter als früher und neigen dazu, ihr Kind stärker zu bevormunden. Laut einer Studie aus Schweden konnten sich Kinder früher bis zu sieben Kilometer außerhalb von zuhause aufhalten - heute sind es nur noch 100 Meter. Sie werden oft mit dem Auto gefahren und sind kaum noch naturverbunden. Es ist auch nicht gut, dass Kinder ständig zu Veranstaltungen gekarrt werden. Ihnen bleibt kaum noch Zeit für spontanes Spielen. Dabei ist erwiesen, dass Kinder beim gemeinsamen Spiel in verschiedene Rollen schlüpfen. Das ist wichtig für das Sozialverhalten.

Regeln sind besser als Verbote und Gebote

t-online.de: Also sollten es Eltern nicht mit Förderangeboten übertreiben?

Koerver-Stümper: Nein. Bei zu viel Förderung geht die Begeisterung der Kinder flöten. Sie können gar keine eigenen Impulse mehr entwickeln. Eine Erzieherin sagte einmal, wenn Kinder in den Kindergarten kämen, seien sie vor allem Konsumenten - geprägt von TV-Konsum und Spielzeugkonsum. Nach neun Monaten werden sie langsam aktiver.

t-online.de: Wie kann man Kindern aus Problemfamilien helfen?

Koerver-Stümper: Wenn beispielsweise der Vater zuhause die Sprache der Gewalt spricht, wird das Kind sehr wahrscheinlich dieses Verhaltensmuster kopieren. Wichtig ist, dass Kinder lernen, Konflikte anders zu lösen. Das Programm von "Freunde" ist ein guter Schutz für die Kinder, das zeigen uns die Rückmeldungen aus 15 Jahren Präventionsarbeit. Kinder, die das Programm durchlaufen, haben eine gute Sozialkompetenz. Wenn die später in die Grundschule kommen, springen sie nicht über Tische und Bänke.

Viele Erziehungsprobleme sind den Eltern gar nicht bewusst. Es gilt, nicht immer nur Druck auszuüben, der sowieso nur in Streit mündet, nicht nur Verbote oder Gebote aufzustellen, sondern Regeln. Doch eine Erziehung über Regeln ist noch nicht sehr verbreitet.

Wie der "Streitteppich" funktioniert

t-online.de: Konflikte lösen - dazu gibt es im "Freunde"-Programm den "Streitteppich". Was steckt dahinter?

Koerver-Stümper: Dabei wird ein Platz zum Streiten geschaffen, zum Beispiel indem ein Teppich oder eine Decke ausgelegt wird. Darauf nehmen die Kontrahenten mit genügend Abstand Platz und sollen beschreiben, was passiert ist, ohne das andere Kind zu beschimpfen. Mit Unterstützung der Erzieherin sprechen sie über ihre Gefühle, und dann wird gemeinsam nach einer Lösung gesucht, die für alle in Ordnung ist. Das ist eine Routine, die sich langsam entwickelt. nach etwa einem Dreivierteljahr geht es in Fleisch und Blut über. Man kann sogar beobachten, dass zankende Kinder von selbst zu diesem Teppich rennen, sich der Streit aber schon erledigt hat, wenn sie dort ankommen.

t-online.de: Und so ein beherrschtes Streiten funktioniert schon bei Kleinkindern?

Koerver-Stümper: Ja, das Alter zwischen drei und sechs ist ideal, weil Kinder bis sechs noch sehr begeisterungsfähig sind.

t-online.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Eltern und Pädagogen, die sich für die Arbeit der Stiftung interessieren oder sich zum "Freunde"-Trainer fortbilden lassen möchten, finden Infos auf der Website www.stiftung-freunde.eu.

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