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Was Eltern schon immer wissen wollten: Interview mit einer Kinderärztin


Kindergesundheit
Was Eltern schon immer wissen wollten: Interview mit einer Kinderärztin

t-online, Simone Blaß

23.04.2012Lesedauer: 9 Min.
Wann darf ein Kind allein zum Arzt?Vergrößern des BildesWann darf ein Kind allein zum Arzt? (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Kinder müssen erst einmal eine Immunabwehr aufbauen und bis das geschehen ist, verbringen Eltern einige Zeit beim Kinderarzt. "Und dem sollte man Vertrauen schenken können, denn nur dann vertrauen ihm auch die Kinder", erklärt Dr. Ute Wunsiedler im Gespräch mit eltern.t-online.de. Die 44-Jährige Kinder- und Jugendärztin war über zehn Jahre lang als Fachärztin mit dem Spezialgebiet Neonatologie an der Uniklinik Erlangen tätig und hat seit sechs Jahren eine eigene Kinderarztpraxis in Nürnberg. Einen Kinderarzt in Ihrer Nähe finden Sie hier.

t-online.de: Frau Dr. Wunsiedler, wie viel Prozent der kleinen Patienten leiden unter Husten, Schnupfen, Heiserkeit oder den jeweils grassierenden Magen-Darm-Infekten?

Dr. Wunsiedler: Ich würde sagen, bis zu 70 Prozent aller meiner Patienten kämpfen mit den typischen Saisonkrankheiten. Aber hier muss man als Kinderarzt besonders aufpassen, dass man nicht zwischen den "normalen" Infekten etwas Bedrohliches übersieht, das sich im ersten Moment ähnlich äußern kann.

t-online.de: Gerade im Hinblick auf diese bedrohlichen Krankheiten, bei denen die Symptome zunächst ähnlich sind, fragen sich Eltern oft, wann man mit seinem Kind den Kinderarzt aufsuchen sollte. Gibt es da Anhaltspunkte?

Dr. Wunsiedler: Pauschal kann man das nicht sagen, das ist unter anderem auch eine Altersfrage. Haben Neugeborene und Säuglinge Fieber, dann sollte man das Baby zum Beispiel immer anschauen lassen. Denn gerade, wenn das Kind sich noch nicht äußern kann, ist es für einen Nichtmediziner schwer einzuschätzen, woher das Fieber kommt. Hinzu kommt, dass bei so kleinen Kindern schnell auch die Gefahr von Austrocknung besteht. Je größer die Kinder sind, desto eher gelingt es, selbst abzuwägen, wann ein Besuch beim Kinderarzt notwendig ist. Manches lässt sich auch zuhause abfangen. Aber gerade beim ersten Kind ist das für viele Eltern noch schwierig. Daher ist es besser, einmal zu oft zu gehen als einmal zu wenig.

t-online.de: Inwieweit kann man diesbezüglich seinem Bauchgefühl vertrauen?

Dr. Wunsiedler: Das kommt ein bisschen auch auf den Elterntyp an. Bei allen funktioniert das leider nicht. Manche Eltern merken es zum Beispiel nicht, wenn das Kind Schmerzen hat. Andere haben ein sehr gutes Gefühl für den Zustand ihres Kindes. Vor allem, wenn es sich um Erkrankungen handelt, die der Nachwuchs schon öfter hatte und mit denen sie umzugehen wissen.

t-online.de: Welche Rolle spielt dabei das Internet?

Dr. Wunsiedler: Wir erleben es natürlich immer häufiger, dass Eltern sich bereits im Netz informiert haben. Das allerdings hat seine zwei Seiten. Denn so manches, was im Internet steht, kann man, wenn man nicht medizinisch ausgebildet ist, gar nicht richtig einsortieren. Meiner Meinung nach verwirrt das Internet die Eltern sehr und dadurch verlieren sie ihr Bauchgefühl. Sie werden durch die Recherche und das Durchlesen tausender schrecklicher Erkrankungen überängstlich.

t-online.de: Was hat das in der Praxis für Folgen?

Dr. Wunsiedler: Es gibt zum Beispiel Situationen, bei denen für mich als Ärztin ganz klar erkennbar ist, worunter das Kind leidet. Und obwohl ich mir sicher bin, wollen besonders gut vorinformierte Eltern dann oft Untersuchungsmethoden, die gar nicht notwendig sind. Bekommen gar das Gefühl, sie werden schlecht behandelt im wahrsten Sinne des Wortes, wenn man manches als nicht notwendig ablehnt. Aber für mich ist wichtig, dass das Kind so wenig wie möglich unter der Diagnostik leidet. In solchen Momenten ist es einfach für das Kind ein entscheidender Vorteil, wenn die Eltern dem Arzt vertrauen.

t-online.de: Wie gehen Sie damit um, wenn sie merken, dass ein Kind Angst vor einer Untersuchung hat?

Dr. Wunsiedler: Wenn ich merke, dass ein Kind Angst hat, dann versuche ich, spielerisch mit ihm in Kontakt zu kommen, sein Interesse zu wecken. Denn wenn erst einmal die Neugier da ist, dann geht alles besser. Manchmal verweigern sich die Kinder ja auch komplett. Bei der U 8, also mit etwa vier Jahren, erleben wir das häufiger. Da zeigen wir dem Kind, wenn nötig auch mehrmals, was gemacht wird: die Blutdruckmanschette oder die Kopfhörer für den Hörtest. Trotzdem kommt es schon vor, dass manche Kinder mehrere Termine brauchen, bis wir die Vorsorgeuntersuchung durchgeführt haben. Aber das ist völlig okay. Es lohnt sich, hier ein bisschen Geduld zu haben, auch im Hinblick auf spätere Untersuchungen. Das versuche ich vor allem denjenigen Eltern zu erklären, die richtig böse auf ihr Kind sind, wenn es bei einer U-Untersuchung nicht mitmacht.

t-online.de: Wenn es sich aber nicht um eine U-Untersuchung, sondern um einen akuten Infekt handelt, dann kann man ja leider nicht mehrere Termine abwarten. Was können Eltern machen, wenn ihr Kind schreit und nicht mehr zu beruhigen ist?

Dr. Wunsiedler: Manchmal genügt es schon, wenn ich für eine Weile hinausgehe und nach der Behandlung eines anderen Patienten wiederkomme. Aber letztendlich muss man abwägen: Wie krank ist das Kind? Manche Untersuchungen sind notwendig. Wenn man mit der sonstigen Diagnostik nicht weiterkommt, dann geht es oft nicht anders. Gut ist, wenn Eltern hier Vertrauen in den Arzt haben. Denn die Kinder können die Einstellung von Mama und Papa ziemlich gut erspüren. Lehnen die Eltern eine Untersuchungsmethode ab, dann sind auch die Kinder umso ängstlicher.

Wichtig ist, dass man mit dem Kind spricht, ihm erklärt, was passiert. Ganz schlimm finde ich es, wenn Eltern sagen, es passiert heute nichts, obwohl sie wissen, dass zum Beispiel ein Impftermin, Röntgen oder eine Blutentnahme anstehen. Es ist wichtig, das Kind vorzubereiten auf das, was mit ihm gemacht wird. Gerade bei etwas größeren Kindern geht das zum Beispiel gut mithilfe von Bilderbüchern rund um die Kinderarztpraxis.

t-online.de: Nehmen wir an, die Eltern können mit der Situation gar nicht umgehen, merken, dass sie ihr Kind durch die eigene Angst oder Mitleid verunsichern. Darf man dann auch mal draußen warten oder lässt man in einem solchen Fall sein Kind im Stich?

Dr. Wunsiedler: Es gibt Situationen, da ist es tatsächlich besser, wenn Mama oder Papa den Raum verlassen. Natürlich fühlt sich das für das Kind im ersten Moment so an, als würde es im Stich gelassen werden. Aber oft geht die Untersuchung dann leichter und schneller, damit ist es für das Kind hilfreich. Außerdem sind die Eltern ja auch nicht aus der Welt. Ich kann sie ja jederzeit wieder reinholen und das sage ich dem Kind auch, damit es weiß, dass es nicht alleine ist.

t-online.de: Leider sind nicht alle Eltern so besorgt um ihren Nachwuchs. Es kommt sicherlich auch vor, dass Sie Patienten haben, bei denen Sie vermuten, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Wie reagieren Sie da?

Dr. Wunsiedler: Meistens kenne ich die Familien ja doch schon länger und kann die Situation allein vom Familienhintergrund her ein bisschen einschätzen. Aber natürlich gibt es Eltern, bei denen man das Gefühl hat, sie seien für ihr Kind eine Bedrohung. Prinzipiell versuche ich in einem solchen Fall erst einmal die Eltern so zu lotsen, dass sie anders mit ihrem Kind umgehen. Denn das wäre die beste Lösung. Jemanden von außen in die Familie zu holen, schafft viel Misstrauen und kommt für mich nur dann infrage, wenn ich merke, dass es nicht läuft. Aber natürlich muss man da Unterschiede machen. Je nachdem, ob ein Kind einfach nur nicht entsprechend gefördert wird oder ob es vernachlässigt oder gar misshandelt wird.

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t-online.de: Wie wichtig ist auch in diesem Zusammenhang das Team eines Kinderarztes?

Dr. Wunsiedler: Superwichtig. Zum einen natürlich, damit man sich in Ruhe um die Kinder kümmern kann, aber auch, was den Kontakt zu den Kindern und ihren Eltern angeht. Das, was an der Anmeldung passiert, ist eine andere Kommunikationsebene und das merkt man. Viele Eltern sprechen ganz anders, wenn sie im Behandlungszimmer sind. Die Beobachtungen, die meine Mitarbeiter machen, sind für mich vor allem in den gerade angesprochenen Fällen oft entscheidend. Wie verhalten sich die Eltern dem Kind gegenüber, wie verhalten sich die Geschwister untereinander - das kann ziemlich aussagekräftig sein.

t-online.de: Viele Eltern antworten gerne für ihre Kinder. Ob nun aus Gedankenlosigkeit, weil sie ihnen etwas abnehmen wollen oder weil sie davon ausgehen, dass das Kind sowieso nicht antworten wird und die Zeit knapp ist. Ist das okay?

Dr. Wunsiedler: Mit ein wenig Erfahrung spürt man schon, ob das Kind erst einmal nur etwas schüchtern ist oder ob es wohl ziemlich sicher gar nichts sagen wird. Ich versuche aber immer, mit dem Kind zu sprechen. Merke ich allerdings, dass es sich verschließt, dann spreche ich die Eltern direkt an. Und manchmal bremse ich sie auch, indem ich sie höflich darauf hinweise, dass ich mich gerne mit ihrem Kind unterhalten würde.

t-online.de: Trotzdem gibt es ja Dinge, die das Kind nicht berichten kann. Wie bereiten sich Eltern am besten auf die Untersuchung vor? Was muss der Kinderarzt wissen?

Dr. Wunsiedler: In erster Linie muss ich natürlich wissen, was das akute Problem ist und wie lange es schon besteht. Bei Fieber ist es gut, wenn es vorher gemessen wurde und man mir sagen kann, wie hoch es ist, wie lange es schon andauert, ob es sich verändert hat oder wie es auf Medikamente anspricht. Außerdem ist entscheidend, ob das Kind etwas trinkt oder ob es irgendetwas gibt, was anders ist als sonst. Und interessant ist für mich als Ärztin natürlich auch, wenn das Kind Kontakt hatte zu anderen kranken Kindern.

t-online.de: Fiebert ein Kind hoch oder ist es überhaupt stark krank, dann möchte man es am liebsten nicht von A nach B schleppen und in Wartezimmern herumziehen. Warum werden nicht mehr Hausbesuche gemacht?

Dr. Wunsiedler: Letztendlich ist die Untersuchungsqualität in der Praxis wesentlich besser als zuhause. Ich habe viel mehr Möglichkeiten, kann zum Beispiel das Blut oder den Urin untersuchen, habe einen Ultraschall oder andere medizinische Geräte zur Verfügung, die mir bei der Diagnose helfen. Generell kann man fiebernde Kinder ganz gut transportieren. Man kann sie warm einpacken und mit dem Auto oder dem Taxi herbringen. Abgesehen davon, dass Hausbesuche in einem Ballungsraum schon zeitlich gar nicht machbar sind, man muss auch betriebswirtschaftlich denken. Das rechnet sich nicht.

Aber zurück zum Praxisbesuch: Wenn ein Kind sehr krank ist, wird es auch immer den anderen Patienten vorgezogen, damit es nicht zu lange warten muss. Das ist, soviel ich weiß, in so ziemlich allen Kinderarztpraxen die Regel, genau wie ein Extrazimmer für Säuglinge.

t-online.de: Eltern möchten ungern mit einem gesunden Kind zum Arzt gehen und mit einem kranken Kind wieder heimkommen. Warum gibt es eigentlich nicht auch einen Raum für die Kinder, die zum Beispiel nur zu einer U-Untersuchung oder einer Impfung kommen?

Dr. Wunsiedler: Ein zusätzliches infektfreies Zimmer lässt sich einfach schlecht organisieren, die Mieten für Gewerberäume sind sehr hoch. Hinzu kommt, dass viele Eltern gar nicht auf die Idee kommen, dass der Ausschlag, den ihr Kind hat, eine Infektion sein könnte. Und damit wäre das infektfreie Wartezimmer gar nicht mehr infektfrei.

t-online.de: Ab wann kann man ein Kind denn eigentlich alleine zum Arzt schicken?

Dr. Wunsiedler: Prinzipiell könnte man das, sobald sie äußern können, was sie haben oder warum sie kommen. Bei uns kommen viele Kinder alleine. Aber natürlich nehme ich mit den Eltern Kontakt auf, wenn es nach etwas Komplexeren aussieht oder die Gabe von Medikamenten einer Erklärung bedarf.

t-online.de: Wenn das Kind so groß ist, dass es allein zum Arzt kann, dann könnte es doch auch gleich zum Hausarzt, oder?

Dr. Wunsiedler: Theoretisch schon, aber das Problem ist, dass viele Hausärzte zu wenig wissen über die Besonderheiten von Kindern. Viele behandeln sie wie kleine Erwachsene und das ist so nicht richtig. Häufig wird auch zu schnell ein Antibiotikum verschrieben. Die Angst ist groß, dass etwas verpasst wird und das Kind einen Schaden nehmen könnte. Hinzu kommt, dass Hausärzte logischerweise nicht so eingebunden sind in die Entwicklungsbesonderheiten bei Kindern. Dadurch wird es erschwert, Krankheiten oder Besonderheiten, an die ein Kinderarzt sofort denken würde, überhaupt zu erkennen. Ist ja auch klar, es ist ja auch nicht ihr Metier. Ein Teenager muss nicht unbedingt zum Kinderarzt, aber kleinere Kinder sind auf jeden Fall dort besser aufgehoben.

t-online.de: Es heißt ja korrekt Kinder- und Jugendarzt. Ist es nicht manchem Jugendlichen peinlich, noch beim Kinderarzt zu sitzen?

Dr. Wunsiedler: Es gibt tatsächlich welche, die bis zu ihrem 18. Geburtstag kommen und selbst dann nicht wechseln wollen. Auch das ist eine Frage des Vertrauens. Aber natürlich gibt es diejenigen, denen das fürchterlich peinlich ist und die auf keinen Fall zwischen kleinen Schnupfennasen im Wartezimmer sitzen wollen. Aber dafür bekommt man ein Gespür. Wir zum Beispiel schlagen diesen Jugendlichen dann vor, doch einfach noch mal kurz wegzugehen und wenn sie wiederkommen, kommen sie auch gleich dran.

t-online.de: Frau Dr. Wunsiedler, abschließend noch eine letzte Frage: Als wir klein waren, trugen die Ärzte noch einen weißen Kittel. Warum tragen Sie denn keinen?

Dr. Wunsiedler: Als ich noch im Krankenhaus gearbeitet habe, musste ich einen tragen. Und das finde ich nicht richtig. Mit einem weißen Kittel erzeugt man Angst. Man sieht nicht normal aus, wirkt seltsam auf das Kind. Es sieht sofort: Die oder der ist nicht wie Mama oder Papa. Ich aber möchte für die Kinder jemand ganz Normales sein, eher Freund als Feind und auf keinen Fall ein Angst- oder Feindbild erzeugen. Das muss nicht sein. Und von der hygienischen Seite her macht es keinen Unterschied, ob ich einen weißen Kittel anhabe oder eine Jeans mit einem T-Shirt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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